Christian Bernhardt

tagelang

Roman

München 2004, Liebeskind

182 Seiten, ISBN: 3-935890-20-6

 

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Rezensionen - tagelang

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24. März 2004
Plots wie Produkte von Mark Siemons
"Dem Debüt von Christian Bernhardt, Jahrgang 1964, kann man eine bemerkenswerte Konsequenz bescheinigen. Sein Roman "tagelang" erzählt keine Geschichte unter Menschen, sondern unter Apparaten, Produkten, maschinellen Abläufen, die er mit gleichbleibend freundlicher Neutralität und so großer Distanz schildert, dass im Unterschied zur sonst üblichen Lebensstil-Literatur noch nicht einmal die Markennamen genannt werden: das Reihenhaus, das sich das offenbar noch junge, beruflich erfolgreiche Paar vor einem Jahr erst gekauft hat, das "Einkaufsparadies" in der Nähe, das Autobahnkreuz, der Fernseher, der Computer, das neue Auto."


Stuttgarter Zeitung, 12. März 2004
von Julia Schröder

"Wir erleben (den Protagonisten), wie er durch das geistert, was von einem gemeinsamen Leben bleibt, wenn einer auf einmal nicht mehr dabei ist, wie der das erste Kennenlernen erlebt hat, das erste Zusammenziehen, ihre kleinen Eigenheiten und Eigenschaften. Und uns wird klar, wie wenig die beiden Bestandteile dieses Paars miteinander zu tun haben - innerlich.

Das ist es, was Christian Bernhardts Roman von denen seiner Generationsgenossen unterscheidet. Der Kampf um die Verschmelzung der lebendigen Seelen, dieses Drama im Privaten findet nicht statt. An dessen Stelle gibt es gemeinsame Autofahrten, Restaurantbesuche, Samstagvormittage im Einkaufsparadies, Auseinandersetzungen über die Beschaffenheit des Bodenbelags im neu erworbenen Reihenhaus, Meinungsaustausch über die Störung der Spülmaschine. Von den Gefühlen der Frau erfahren wir nichts, von denen des Mannes, obwohl aus seiner Perspektive erzählt wird, auch nichts. Oder nur vermittelt. ...
Auch in diesen aufgeräumten Gefilden der koniferen umstandenen Stellplätze, der akkurat gemähten Vorgartenrasen lautert die Gefahr. Einmal gehen die beiden in einem Waldstück spazieren, in dem alles ebenso genormt sit wie ihre Inneneinrichtung, wie die Einrichtung ihres Siedlungsgebiets und die Einrichtung ihrer Gefühlshaushalte, und prompt verlaufen sie sich, weil alles immer gleich ausschaut. Bezeichnenderweise suchen sie diesen Wald nicht mehr auf. Zwei weitere solcher Situationen abgewendeter Gefährdung schildert Bernhardt, und so wohlkonzipiert wie dieses Dreierarrangement ist der ganz schmale Roman. ...

Tropismen reihen sich nach einem allmählich deutlicher werdenden Muster hintereinander, wie im Nouveau Roman oder bei Nicholson Baker - bloß fehlt, und dies mit Recht, die Hoffnung, dadurch irgendetwas enthüllen zu können, was der Leser zuvor nicht schon gewusst, zumindest geahnt hätte. Dieser normierte Limbus, diese Vorhölle ist der Ort, an dem wir zu Hause sind. Am Ende ist der Unfallhergang dem Mann wieder gegenwärtig - oder immerhin ein möglicher Unfallhergang. Der wahre Unfallhergang aber muss viel früher passiert sein, der zeitpunkt, an dem deutlich wurde, dass auch die Intimität des Paars nicht vor den Zurüstungen für die universale Kompatibilitätbewahrt. So wirft diese Privatgeschichte ihr fahles Licht auf die Welt, in der wir leben. Und wird - wer hätte das gedacht?- eminent politisch."

 

Kölnische Rundschau, 25. März 2004

"eine erschreckend einleuchtende Momentaufnahme eines Lebens, das für individuell nur das hält, was in der Medienwelt als individuell vermarktet wird."


WDR3 Hörfunk, "Mosaik", 21. Juni 2004
von Thomas Böhm
Der Rezensent ist "begeistert vom Rhythmus dieser Prosa eines Debütanten": "... es gelingt Christian Bernhardt, unser In-der-Welt-Sein zu beschreiben – nicht als schönes Wohnen oder noch schöneres Leben – sondern als Durchlauf, der keine Spuren hinterläßt, als ein bis ins Detail von anderen designtes Dasein, eine substanzlose Existenz. Ein sehr beunruhigendes Buch, dass umso nachhaltiger wirkt, weil Christian Bernhard auf alle kulturkritischen Klischees verzichtet und stattdessen dem Leser eine schillernd blanke, faszinierende Sprachoberfläche bietet."

Neue Osnabrücker Zeitung, 24. Juni 2004
von Barbara Wegmann
"Genial, wie aus all den Einzelschilderungen des jungen Mannes, der wie in Trance erzählt, dessen eigentliche Angst und Sehnsucht hervortreten: was vor dem Unfall unbewußt ein Rädchen im Getriebe war, ist nun ein vollkommen orientierungsloses Wesen: aus der Bahn geworfen, nicht nur das Auto, auch die Seele."

 

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